Der Einlauf in die Zielgerade fühlt sich nicht zwangsläufig so an als sei man angekommen. Ich befinde mich zur Zeit auf dem letzten Metern meiner Ausbildung als Trauerbegleiterin, die ich vor einem Jahr begonnen habe. Nun wird es Zeit, die verschiedenen Module und das Gelernte einmal Revue passieren zu lassen und mir zu überlegen, was ich damit weiter machen möchte. Wofür ich das alles gebrauchen kann. Und das fällt mir gar nicht so leicht.
Eine bewegte Zeit mit viel Veränderung
In diesem letzten Jahr ist viel passiert. Ich habe meinen Agenturjob beendet und das war nicht die schönste Art und Weise, sich zu trennen, aber auch das ist mit Trauer und Abschied verbunden. Danach war ich vier Monate arbeitslos und hab dann freiberuflich als Texterin für die Bestattungsbranche gearbeitet und ein Praktikum beim Bestatter absolviert. Jetzt bin ich schwanger, arbeitslos (nennen wir es vollzeitschwanger) und weiß noch nicht, wie es beruflich weiter gehen wird. Böse Zungen würden das ein unstetes Leben nennen. Ich nenne es authentisches Leben. Am Anfang meiner Schwangerschaft wollte ich mich überhaupt nicht mit dem Tod beschäftigen. Jetzt ist das Interesse aber wieder voll da, denn ich weiß, dass beides so nah beieinander liegt und Leben und Sterben ohne einander nicht funktioniert. Es ist der Kreislauf des Lebens. Geburt und Sterben, beides ist aus der Gesellschaft in Intitutionen wie Pflegeheime und Krankenhäuser verlagert. Zuhause sterben die wenigsten und deshalb machen auch kaum Menschen die Erfahrung, wie es ist, einen Menschen dabei zu begleiten. Ich selbst habe diese Erfahrung auch noch nicht gemacht. Jetzt heißt es ja auch erst mal für mich, einen Menschen auf dem Weg ins Leben zu begleiten.
Wissen aufsaugen und mit Menschen reden
In der gesamten Zeit habe ich viele Bücher gelesen und mir unglaublich viel Wissen angeeignet. Aber dann kommen die Zweifel: Wofür brauche ich das alles? Wenn ich per Anhalter reise, ist es das natürlichste der Welt, mit Menschen über Tod, sterben und Trauer zu reden und im Nachhinein ist mir auch aufgefallen, dass ich vieles intuitiv richtig mache, wenn man das überhaupt so sagen kann.
Scheitern als Selbsterfahrung
Aber in der Ausbildung in den Gesprächsübungen hab ich mich jedes Mal gefühlt als würde ich scheitern. Ich weiß, scheitern gehört zum Leben dazu und das sind sicher auch Erfahrungen, die ich in dieser Welt, in dieser Zeit auf dieser Erde machen soll. Aber dann beginne ich zu zweifeln, ob man mich überhaupt auf Menschen loslassen sollte. Einmal als ich mich während meiner Freiberuflichkeit über Kundschaft geärgert habe, hat mein Freund gesagt, dass ich vielleicht nicht für den Kundenkontakt gemacht bin. Das hat gesessen. Aber vielleicht hat er auch recht. Durch meine Blogbeiträge oder auch Videos auf Youtube (vor allem das Video zu meinen chronischen Kopfschmerzen und zu meinem Bestatterpraktikum) habe ich gemerkt, dass ich auf diesen Wegen Menschen berühren oder ihnen sogar helfen kann. Ich denke, schreibe, reflektiere, aber auch Interkation findet statt. Deswegen weiß ich noch nicht, wie mein Weg weiter geht und ob ich die Trauerbegleitung irgendwie in meinen zukünftigen Beruf integrieren kann. Das würde mich natürlich sehr freuen.
In diesem Blogbeitrag möchte ich den restlichen Platz dafür nutzen, euch einmal kurz die Bücher vorzustellen, die ich in der Zeit meiner Ausbildung und teilweise auch schon davor gelesen habe und auch behalten werde. Weil sie mich inspirieren. Weil sie „Standartwerke“ sind oder weil ich denke, dass sie noch anderen Menschen in meinem Umfeld helfen können. Gerne verleihe ich die Bücher auch.
Buchempfehlungen zu Sterben, Tod und Trauer
Über das Sterben // Gian Domenico Borasio
– Der natürliche Sterbeprozess
– Sterbebegleitung, Möglichkeiten am Lebensende
– Vorsorge und Selbstbestimmung
– Sterbehilfe
– Palliativmedizin und Hospizarbeit
Das ist das erste Buch, welches ich mit zum Thema Tod und Sterben gekauft und gelesen habe. Damals war ich noch zum Studieren in Mannheim und ich weiß nicht, warum ich das Buch im Museumsshop der Kunsthalle aus dem Regal genommen habe. Aber empfehlen kann ich es allen, die sich noch nie mit dem Sterben auseinandergesetzt haben, denn man beginnt zu hinterfragen, wie man sich das für sich selbst und seine Liebsten vorstellt.
Warum gerade mein Bruder // Margit Baßler, Marie Thérèse Schins
– Methoden für Trauerarbeit (Trauerseminare für Kinder und Jugendliche)
– Schreiben & Malen: Einblicke in die Gefühlswelt von Angehörigen (Geschwistern/Kindern) nach einem Todesfall
– Bibliotherapie
Letztes Jahr war ich im Helenenstift (Hospiz) zu einer Veranstaltung von Marie Thérèse Schins, wo ich zum ersten Mal mit dem Thema Bibiotherapie in Berührung kam und erfahren habe, wie und mit welchen Kinderbüchern man mit Kindern über Trauer sprechen kann. Sie hat auch viele Einblicke in ihre Seminare gegeben, so dass ich mir dieses Buch gekauft habe. Besonders spannend finde ich die Erfahrungsberichte von den Teilnehmern und Beispieltexte und Bilder, die dort entstanden sind. Das Buch kann ich Menschen empfehlen, die als Trauerbegleiter Kinder und Jugendliche unterstützen möchten.
Meine Liebe findet dich // Roland Kachler
– Trauer als kreative Beziehungsarbeit (Liebe statt Loslassen)
– Eigene Erfahrungsberichte und Übungen
– Präsenz des Verstorbenen, Erinnerung, Symbole, Transzendenz, Hoffnung, ewige Liebe und wie man damit weiterlebt, verbunden bleiben
– Ratgeber, Wegweiser für Trauernde
Ich hatte einmal einen Gutschein für Thalia bekommen und bin einfach mal planlos durch den Laden gestreift und habe mir Bücher angeguckt. Dieses Buch musste dann letztendlich mit. Es vereint drei Bücher in einem. Teilweise gibt es Wiederholungen, aber durch die persönlichen Erfahrungen des Autors mit dem Thema (Tod seines Sohnes) ist das Buch sehr lebensnah und authentisch. Ich habe es mit in den Winterurlaub genommen und habe es so zu sagen weggeatmet, obwohl es so dick ist. Das Buch kann ich allen Menschen ans Herz legen, die einen sehr nahestehenden Menschen verloren haben, aber auch Menschen, die sich mit neuen Trauermodellen auseinandersetzen möchten. Mir hat es die Augen geöffnet, dass jeder seinen Weg geht und dieser nicht zwangsweise mit loslassen verbunden sein muss.
Ich habe letztes Jahr auch einen Workshop bei Robert A. Neimeyer im Lotsenhaus (Hamburg Leuchtfeuer) besucht, wo es auch um das Thema gelebte Beziehung und wie man diese weiterführen kann, ging. Ein sehr spannendes Thema wie ich finde.
Keine Angst vor fremden Tränen *// Chris Paul
– Umgang mit trauernden Menschen
– Erfahrungsberichte von Trauernden
– Tipps und Handlungsratschläge: Anteilnahme, Abschiednahme, Umgang mit Tränen, Mitgefühl, Kommunikation, Trauernde unterstützen
– Trauer von Kindern und Jugendlichen, Tod eines Kindes
– Plötzliche und gewaltvolle Todesursachen
– Beziehung mit einer verwitweten Person
Chris Paul durfte ich ebenfalls schon während des Workshops von Robert A. Neimeyer kennenlernen. Sie hat ein unglaubliches Wissen zu Trauerprozessen und Verläufen und auch sehr viel Praxiserfahrung. Deshalb gelten ihre Bücher im deutschsprachigen Raum als Standardwerke für angehende Trauerbegleiter. Aber auch für Menschen, die selber Trauern oder Angehörige von Trauernden gibt sie mit ihren Büchern umfangreiche Informationen an die Hand.
Ich lebe mit meiner Trauer *// Chris Paul
– Trauerfacetten anhand des Kaleidoskop des Trauerns
– Reaktionen und Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Trauerweg (die ersten Stunden, Wochen, das erste Trauerjahr, Todestage und weitere Trauerjahre)
– Trittsteine und Stolpersteine
– Erfahrungsberichte und Übungen
Dieses Buch ist wie der Titel vermuten lässt für Trauernde selbst eine Hilfestellung. Man kann sich durch die verschiedenen Phasen des Trauerwegs durchhangeln und auch nur Teile des Buchs lesen, die für einen selbst relevant sind. Ich wollte das Buch unbedingt lesen, da es Einblicke in die Gefühlswelt von Trauernden gibt (Erfahrungsberichte), dazu hilfreiche Handlungsmöglichkeiten und das kann auch als Angehöriger oder Begleitende eine enorme Hilfestellung sein.
Das letzte Hemd ist bunt **// Fritz Roth
– Umgang mit Tod und Sterben heute
– Blick in die Vergangenheit (Totenrituale, Gedenken)
– Aufruf zur Veränderung: Umgang mit Tod und Trauer, individuelle Gestaltung der Abschiednahme (Trauerkultur)
– Gestaltungsimpulse für individuelle Abschiede
– Der Tod gehört ins Leben
Bei meinem Besuch im im Bestattungshaus Pütz-Roth in Bergisch Gladbach bekam ich dieses Buch geschenkt. Leider habe ich Fritz Roth nie persönlich kennenlernen können. Aber er muss ein beeindruckender Mensch gewesen sein, der sich sehr für neue Wege in der Trauerkultur eingesetzt hat und dies auch in seinem Bestattungshaus so gelebt hat. Er erlebte hautnah mit, wie sich die Gesellschaft von dem Thema Tod und Sterben entfremdet hat und macht deutlich, warum der Tod zum Leben dazu gehört. Als ich das Buch gelesen habe, war ich fasziniert, denn so viele Gedanken hatte ich mir bis zu dem Zeitpunkt noch nicht darüber gemacht und doch musste ich innerlich immer wieder nicken und habe mir vorgenommen, dass auch ich für eine neue Trauerkultur einstehen möchte und z.B. durch meinen Blog den Tod wieder ins Leben holen möchte und ihm den Schrecken nehmen.
Begegne dem Tod und gewinne das Leben *// Christine N. Brekenfeld
– Erfahrungsberichte von Nahtoderlebnissen
– Einblicke in Wissenschaft, Praxis und Forschung
– Umfangreicher Übungsteil, um die spirituelle Kraft durch die innere Begegnung mit dem Tod zu erfahren
– Integration eines Nahtoderlebnisses
Ich selber hatte nie eine Nahtoderfahrung, aber finde das Thema seitdem ich gehört habe, dass es sowas gibt, unglaublich spannend. Deshalb wollte ich auch unbedingt dieses Buch lesen. Für mich ist es total faszinierend, was Menschen darüber erzählen, auch wenn es kaum greifbar ist, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Aber irgendwie ist es auch so (und dafür ist der Übungsteil gedacht), dass man auch ohne ein Nahtoderlebnis „sterben lernen“ und an dieser Erfahrung wachsen kann. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich mich teilweise so exzessiv oder zumindest sehr übermäßig mit dem Thema auseinandersetze.
Erst wollte ich das Buch wieder weglegen, weil die Autorin auf ihre eigene Erfahrung eingeht, wo sie dem Tod bei der Geburt ihres Kindes sehr nah gekommen ist. Da kommen im ersten Moment natürlich Ängste hoch, wenn man selber grade schwanger ist. Aber das ist für mich kein Grund, mich dem ganzen nicht doch einfach zu stellen, denn ich finde da kann man viel für sich selber draus lernen. Und zwar mehr als wenn man das Buch einfach zur Seite legt, weil man ein Thema meiden möchte. Irgendwann holt es einen ein. Also kann man sich auch gleich selbst bewusst damit beschäftigen und die Thematik bearbeiten. So sehe ich das. Deshalb war dieses Buch tatsächlich auch als Vorbereitung auf die Geburt eine gute Lektüre.
Dieser Mensch war ich // Christiane zu Salm
– Nachrufe auf das eigene Leben von Menschen, die wissen, dass sie bald sterben werden
Dieses Buch habe ich im Second Hand Kaufhaus entdeckt und ich wusste sofort, dass ich es lesen muss. Das Lesen war quasi wie eine Sucht, denn ich habe diese Briefe/Nachrufe eingesogen und musste mich teilweise bremsen, um irgendwann mal schlafen zu gehen. Es ist wirklich interessant, wie Menschen auf ihr gelebtes oder auch ungelebtes Leben zurückblicken, welche Geheimnisse sie hatten oder was sie bereuen. Auch davon kann man wirklich viel für sich selber mitnehme und zwar, dass man einfach leben sollte und nicht alles, was einem wichtig ist, auf morgen verschiebt. Danke für dieses Buch.
Das letzte Fest *// Nicole Rinder, Florian Rauch
– Phasen der Trauer
– Umgang mit dem Tod, Gefühle zulassen
– Eigener Erfahrungsbericht
– Abschiedsrituale und Übungen
– Aktive Trauerarbeit und Trauerbegleitung
– „unmöglicher“ Abschied (Ungewissheit über Tod oder kein Verstorbener (Person vermisst, Naturkatastrophe…))
Bei diesem Buch springt zu aller erst die schöne Gestaltung ins Auge. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da es viele Anregungen für Rituale gibt, in die auch Kinder einbezogen werden können. Besonders berührt hat mich der Erfahrungsbericht der Autorin über den Tod ihres Kindes nach der Geburt und wie sie und ihr Partner damit umgegangen sind.
Gute Hoffnung, jähes Ende *// Hannah Lothrop
– Fehlgeburt, Totgeburt, Neugeborenentod, plötzlicher Kinstod, tabuisierter Tod (z.B. Abtreibung)
– Was passiert, wenn ein Kind stirbt?
– Wie gehen Betroffene damit um? Wie kann man ihnen helfen? (Erfahrungsberichte)
– Abschied und Trauer (vor der Geburt, die Geburt, danach)
– Praktische Hilfen (Rituale, Kreativität, natürliche Heilmittel, Spiritualität)
– Umgang und Abschiednahme mit dem verstorbenen Kind
– Hilfestellungen für Klinikpersonal, Trauerbegleiter, Geburtsvorbereiter, Seelsorger, Selbsthilfegruppen und Bestatter
– Ausführlicher Anhang mit Zusatzmaterial (Gebete, Lieder, Hilfsangebote und Gruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Trauerrituale, Fragebögen, Meditation…)
Auch dieses Buch ist keine leichte Kost, wenn man selber grade schwanger ist, aber wahrscheinlich konnte ich mich auch deshalb so gut hineinversetzen. Das Buch gebe ich jedenfalls so schnell nicht her (außer leihweise), denn mit seinen 384 Seiten ist es ein ausführlicher Ratgeber sowohl für betroffene Eltern als auch Angehörige und begleitende Personen. Es liefert zahlreiche Erfahrungsberichte von Betroffenen, die den Verlust des Kindes und die Trauer noch einmal anschaulich darstellen. Das Buch zeigt auch Negativbeispiele auf, woraus man sehr gut lernen kann, wie besser nicht gehandelt werden sollte. Trauernden Eltern hilft es bei der Frage, welche Rechte sie und das Kind in so einer Situation haben, so dass man sich nicht so ausgeliefert fühlt. Viel von dem, was ich in meiner Trauerbegleitungsausbildung gelernt habe, wird auch in diesem Buch noch einmal aufgegriffen.
Einmal Jenseits und Zurück **// Fritz Roth
– Katalog zur Ausstellung „Ein Koffer für die letzte Reise“
– Koffer + Steckbriefe (über mich, über mein Koffer)
Dieses Buch habe ich ebenfalls bei meinem Besuch in Bergisch Gladbach geschenkt bekommen. Dort haben wir herausgefunden, dass wir unabhängig voneinander eine ähnliche Idee hatten. Ich ließ im Rahmen meiner Bachelorarbeit 6 Menschen einen Koffer packen für das letzte Jahr bevor sie sterben. Bei dem im Buch vorgestellten Projekt sollten Menschen einen Koffer für ihre Reise ins Jenseits packen. Es ist spannend zu sehen, welche Gedanken sie sich dabei machen, ob sie das Thema ernst oder mit Humor nehmen und an was sie dabei denken.
* Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos und von der Randomhouse Verlagsgruppe zur Verfügung gestellt. Ich erhalte kein Honorar dafür, dass ich über die Bücher berichte und teile mit euch meine ehrliche Meinung.
** Das Buch wurde mir vom Bestattungshaus Pütz-Roth in Bergisch Gladbach kostenlos und bedingungslos als Leseexemplar zur Verfügung gestellt.