Ja, ich lebe noch
Guten Tag. Oder soll ich sagen: Guten Abend? Meine Augen sind schon auf Halbmast, aber es juckt schon seit einiger Zeit in meinen Fingern, wieder in die Tasten zu hauen. Lange habe ich nichts von mir hören lassen. Und ich habe das Schreiben sehr vermisst. Eine To-do-Liste zu Papier bringen zählt nicht. Emails, Elterngeldantrag und Kitaplatzanfragen auch nicht.
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Jetzt ist schon wieder die Hälfte vom Jahr vergangen. Eigentlich ist heute nicht der richtige Zeitpunkt, von guten Vorsätzen zu erzählen. Aber Anfang des Jahres habe ich in meinem neuen Kalender ein paar Achtsamkeitsaufgaben gemacht u.a., um den Fokus für dieses Jahr festzulegen. Meine Prioritäten. Drei Wörter, die über allem schweben, wie eine wabernde Wolke vorm Regenschauer. Die Überschriften der Kapitel meines Jahres: Liebe, Mitgefühl und Gesundheit.
Ein Ausdruck von Gefühlsduselei
Im letzten Jahr ist viel passiert und die Liebe steht dabei wohl über allem. Da ist seit 11 Monaten ein kleiner Mensch, für den mein Herz förmlich explodieren könnte. Da ist seit über 5 Jahren dieser nicht ganz so kleine Mensch, den ich seit Februar meinen Ehemann nennen darf, was für mich immer noch ganz schön komisch klingt. Da ist Sonne, da ist Wärme, da ist Licht. Da sind aber auch diese Tage, die einfach nur verdammt anstrengend sind. Bauchschmerzen. Zähne. Ein Pups, der quer sitzt. Hunger. Durst. Windel. Da ist die abgebrochene Hausgeburt, mit der ich lange haderte. Da ist die Liebe zum Schreiben, die so lange hinten anstehen musste.
Ich möchte aus vollem Herzen sagen können: „Ich liebe das Leben. Ich liebe alles daran.“ Denn an sich stimmt das auch. Aber manchmal realisiert man es erst, wenn man eine Nacht oder auch nur ein halbes Stündchen darüber geschlafen hat. Für mich steht es außer Frage, dass auch die nicht so schönen Tage zum Leben dazu gehören und am nächsten Tag habe ich fast schon wieder vergessen, wie anstrengend das alles war und mit schönen Erlebnissen die Festplatte formatiert. Wenn ein zuckersüßes „da da da“ den letzten Schreianfall verblassen lässt, dann bin ich nicht nachtragend. Das habe ich von meinem Kind gelernt: Eben war eben und jetzt ist jetzt.
In den Kinderschuhen: Wenn Liebe wächst
Woran ich arbeite: Ich möchte allen Menschen mit Liebe oder zumindest mit Wohlwollen begegnen. Und ich möchte gnädiger sein – letzten Endes auch mit mir selber. Das Leben hält viel mehr bereit, als einfach so dahin zu plätschern. Wir können an den Aufgaben, die uns das Leben stellt und an den Begegnungen wachsen. Im vergangenen Jahr habe ich mir in ganz besonders harten Nächten immer gesagt: „Mein kleiner Spatz, du wurdest mir geschickt, damit ich Geduld lerne.“ Aber da ist noch so viel mehr, was ich von meinem Baby lernen kann. Man darf nur niemals aufhören, neugierig zu sein und die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Ich bin dankbar, jetzt noch mal ganz andere, neue (oder längst vergessene) Facetten dieser Welt erleben zu dürfen.