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Still. – Über das Stillen in Zeiten erhöhter Erwartungen

18. September 2019 Kommentieren Geschrieben von Wiebke

Hier ist es mal wieder still geworden. Dabei habe ich genug Gedankenkotze, die nur darauf wartet, in meine digitale Toilette für geistigen Dünschiss hinabgespült zu werden. Raus aus meinem Kopf, rein ins Internet.

Erwartungen zum Stillen über den Haufen werfen

Ein Grabstein für meine Erwartungen

Und zufällig habe ich da noch etwas aufzuarbeiten. Da ich lieber schreibe, anstatt nach einem Therapeuten zu suchen, landet der Text nun hier. Es gibt die guten Tage, wo alles so läuft, wie man es sich vorstellt und wie man es sich gewünscht hat. Ich bin Mutter geworden. Mein Kind ist zuckersüß. Es läuft. Und was ebenfalls läuft, ist die Milch. Milchbar ist zur Stelle, wenn du mich brauchst. Ich hatte nicht viele Vorbilder, was das Stillen betrifft; keine realen jedenfalls (außer meinen Schwestern), sondern nur im Internet. Online tummeln sich die Hashtags und Stimmen zu #normalizebreastfeeding und dem Stillen in der Öffentlichkeit, was ja auch gut und toll und richtig ist. In Facebookgruppen, in denen ich mich eingelesen habe, profilieren sich Mütter, wer sein Kind am längsten stillt. Alles schön und gut. Mein Plan war auch, mein Kind mindestens ein Jahr zu stillen und dann so lange wie es uns beiden damit gut geht (so wie es auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt und „Food under one is just for fun“… wie ich das alles nicht mehr hören und lesen mag.) Es gibt zwei Sorten von Stillenden: Diejenigen, die sich hart dafür feiern, je früher sie abgestillt haben. Und diejenigen, deren Kinder am ersten Geburtstag höchstens mal am Brokkoli nagt und deren Kind bis in die Grundschule gestillt wird. Ich komme mir vor wie ein schlechter Kompromiss dazwischen. Mal wieder. Denn irgendwie habe ich es ja nicht so damit, mich in irgendwelche Schubladen einzuorden.

So viele Veränderungen in so kurzer Zeit

Ein Jahr stillen, d.h. bis zum ersten Geburtstag. Und dann mal gucken, wie lange. Was soll ich sagen? So ist es nicht gekommen. 11 Monate habe ich gestillt. Und das am Ende mit einem inneren Widerstand. Es hat sich so vieles geändert.

Als Neu-Mutter war ich super stolz, dass ich stillen konnte. Ich brauchte keine Hilfsmittel, hatte keine Entzündungen, keinen Milchstau, keine wunden Stellen. Es lief. Ich stillte immer dann, wenn mein Kind es brauchte. Es war mir egal, ob das im Bus oder irgendwo draußen oder zu Hause war.

Die Welt ist grässlich und wunderschön

Theorie und Praxis sind dann doch irgendwie zwei Paar Schuhe

Als Vorbereitung auf unsere gemeinsame Stillzeit habe ich das Buch „Intuituves Stillen“ von Regine Gresens gelesen.* Und auch als es an das Abstillen ging, habe ich es noch mal zur Hand genommen. Es hat mir sehr viel Sicherheit und Selbstvertrauen in die Sache an sich gegeben. Auch, wenn es für viele Frauen nicht die intuitivste und einfachste Sache der Welt ist: In dem Buch gibt es so viele Hilfestellungen z.B. was zu tun ist, wenn man einen Milchstau hat, verschiedene Stillpositionen, stillen nach Bedarf, Einschlafstillen. Aber eigentlich wird immer wieder dafür plädiert, auf das eigene Gefühl zu hören.

Intuitives Stillen

Es fließt Milch. Es fließen Tränen. Aber Hauptsache, es läuft.

Was das Buch allerdings nicht leisten konnte: Mich auf die emotionalen Schwierigkeiten des Stillens vorzubereiten. Ein zufriedenes, trinkendes Baby und eine entspannte Mutter mit dem dann satten und zufriedenen Kind im Arm, das war mein idyllisches Bild, was ich mir vorher ausmalte. Und das gab es hier auch. Manchmal. Oder auch: Mutter bringt Kind ins Bett und Kind schläft zufrieden beim Einschlafstillen ein. Toll. Bravo. Applaus. Es gab aber auch Momente, da war meinem Kind jedes Geräusch zu viel. Alles war eine potenzielle Ablenkungsquelle. Und auch ohne Ablenkung, manchmal erntete ich einfach nur Geschrei. Geschrei trotz Hunger. Geschrei trotz stillen. Überforderung. Ein weiterer Versuch. Manchmal auch Tränen auf beiden Seiten.

Ungefragte Meinungen und Kommentare aus dem Off

Ein neuer Erdenbürger ist da und alle wollen ihn sehen. Alle gucken hin. Alle gucken ihn an. Immer: Aber sie gucken auch auf deine Brust. Sie gucken dich an. Voller Erwartung, denn du als Mutter musst doch wissen, was los ist. Du bist verantwortlich, denken sie. Wenn ein Furz quer sitzt: Mama ist schuld. (Was sie nicht sehen: Ich bin nicht der einzige Faktor im Leben meines Kindes.) „Warum weint es denn? Hat es Hunger? Kommt nichts? Schmeckts nicht?“ Solche Sprüche haben mich sehr getroffen. Ich habe sie mehrmals gehört. Von Fremden, aber auch von vertrauteren Menschen. Ich habe die betretenen Blicke gesehen, wenn mein Kind und ich stillen wollten, aber es einfach nur geschrien hat. Ich kannte das nicht. Mein Neffe beispielsweise hat getrunken und getrunken. Er wusste genau, wo die Milch herkommt und ihm war es egal, ob da noch 10 andere Menschen am Tisch oder im Zugabteil sitzen und wie laut es ist oder ob nebenbei noch ein WhatsApp Videoanruf gestartet wird. Bei uns war das nicht so. Und wenn ich mich versucht habe abzugrenzen und z.B. in einen ruhigeren Raum gegangen bin, dann ist es auch falsch, denn 1. als Mutter kannst du es nur falsch machen und 2. alle wollen doch den neuen Erdenbürger angucken. Immer. Und jetzt wird er ihnen von der bösen Mutter vorenthalten. Und weil ein Baby noch nicht so viel machen kann außer trinken, schlafen und in die Windel machen, wird eben alles, was passiert kommentiert. „Schmeckts nicht? Will er nicht? Kann er nicht? Warum weint er denn? Was hat er denn?“ Und dann muss man lächeln und ruhig bleiben, auch wenn man selber nicht weiß, wo eigentlich das Problem des Kindes ist, weil man selber als Mutter grade ganz andere Probleme hat.

Neue Wege finden

Ich wollte immer eine Mutter sein, die aus vollem Herzen und mit gutem Gefühl stillt, anstatt mit einem inneren Widerstand, der gegen Ende unserer Stillbeziehung jedoch immer größer wurde. Zu meinem Glück bestanden die Essens-Mahlzeiten aus mehr als einem angelutschen Brokkoli. Ganz Mutter und Vater hat unser kleiner Sohn immer sehr gerne gegessen. Ich habe also tagsüber so lange gestillt, wie er es wirklich brauchte. Er hat von alleine aufgehört. Und Nachts habe ich ein neues Ritual eingeführt. Kuscheln und Spieluhr. Zugegebenermaßen kann ich die Spieluhr 4 Monate später schon nicht mehr hören und habe sie in den Keller eingelagert. Aber wir brauchen sie auch nicht mehr.

Bedürfnisorientblablabla

Manche Menschen lassen unter dem Deckmantel der bedürfnisorientierten Erziehung alles das Kind entscheiden. Aber bedürfnisorientiert (dieses Wort kann ich auch schon nicht mehr hören oder lesen) heißt, dass meine Bedürfnisse genau so viel wiegen und man dann eben einen Kompromiss finden muss. Mein Kind hat tagsüber abgestillt (nach 10 Monaten). Ich habe nachts abgestillt (nach 11 Monaten). Alles andere wäre nicht bedürfnisorientiert, sondern Aufopferung. Das ist auch ok. Aber dann soll man es doch bitte auch so nennen.

Die Stille

Stillen ist unter Müttern z.B. auf dem Spielplatz oft DAS Thema. Genervtes „noch stillen“. Wie lange hast du gestillt? Glückwünsche zum Abstillen (auch etwas übertrieben). Unsere zukünftige Babysitterin weiß mehr über meine Brüste nach dem Stillen und mit welchen BHs ich das kompensiere als über den Rest aus meinem Leben. Es ist und bleibt ein riesen Thema. Mir das alles von der Seele zu schreiben tut unendlich gut. Ich bin dankbar, dass mein Körper das ganze (trotz der Erschöpfung und Ausgelaugtheit gegen Ende der Stillzeit) so gut mitgemacht hat. Außerdem bin ich dankbar für all die schönen und harmonischen Stillmomente, die ich nun um so mehr zu schätzen weiß, wie besonders sie sind. Meine Psyche werde ich noch ein bisschen pflegen und in den Arm nehmen müssen. Jetzt bin ich ganz froh, dieses Kapitel erst einmal geschlossen zu haben. Für die Zukunft heißt es, draus zu lernen und nicht an meiner Sensibilität kaputt zu gehen. Aber ich würde es immer wieder machen.

___

*Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt.

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