Das Leben besteht aus verschiedenen Schattierungen von grau. Von 100% Helligkeit bis absolute Dunkelheit hat es alles zu bieten. Oft sind wir selbst dafür verantwortlich, in welche Richtung auf der Farbskala wir derzeit wandern oder wo wir verweilen. Manchmal fühlen wir uns dem Schicksal aber auch hilflos ausgeliefert und sehen schwarz: Depression.
Depressive Verstimmung
Mir selbst wurde (neben so vielen anderen Sachen) in meiner zweijährigen Kopfschmerzphase vor 10 Jahren eine depressive Verstimmung diagnostiziert. Die Mundwinkel gingen immer seltener nach oben. Ich habe mich in mein Zimmer verkrochen und über die Endlichkeit nachgedacht. Die Endlichkeit meiner Schmerzen. Die Endlichkeit meines Lebens als Ausweg. Dabei bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, was ich selbst tun könnte, um von innen heraus etwas an meiner Lage zu verändern.
Von innen heraus – die Komfortzone verlassen
Viele Menschen meinen, einem mit gut gemeinten Ratschlägen zu helfen. Aber eigentlich kann man sich nur selber helfen. Klar kann man z.B. von einem Therapeuten wichtige Anstupser in bestimmte Richtungen bekommen, aber die Veränderung muss aus einem selbst heraus kommen. Das habe ich besonders gemerkt als ich aus einer melancholischen Stimmung heraus angefangen habe, per Anhalter zu reisen. Es war mein eigener Antrieb, die Komfortzone zu verlassen und ich wurde mit dem überwältigenden Gefühl der Euphorie belohnt.
Selbsterkenntnis
Wenn man Bücher Richtung Selbsthilfe, Selbstliebe, Spiritualität usw. liest, dann merkt man, dass viele Menschen einen ähnlichen Weg gehen: Bewegung und Yoga tun ihnen gut. Sie nutzen die Musik oder das Schreiben als Ventil, um ihre Gefühle auszudrücken. Entspannungs-/Atemübungen oder Meditation sollen wahre Wunder bewirken. Ein Spaziergang hat noch keinem geschadet und wenn es einem zu trist wird, reist man im Winter der Sonne hinterher. Tatsächlich bringt es aber nichts, das alles bloß einmal gehört oder gelesen zu haben. Es bringt an sich auch nichts, das alles hier aufzuschreiben. Es ändert auch nichts, weltfremde Yogabilder auf Instagram zu betrachten. Einzig und allein die Selbsterfahrung macht den Unterschied.
Der innere Motor als Antrieb für die Seele
In der Kurklinik damals standen jeden Tag Sport und Yoga auf meinem Therapieplan. Erst da bin ich wieder so richtig aktiv geworden und habe sogar auch freiwillig noch an zusätzlichen Aktivitäten wie z.B. Aquafitness teilgenommen. Yoga hatte ich vorher noch nie ausprobiert, aber es hat mir gut gefallen. Das Schreiben habe ich erst viel später für mich entdeckt. So richtig erst vor 2 oder 3 Jahren. Früher habe ich eher gezeichnet. Jetzt mache ich gerne Collagen. Vielleicht haben wir einfach verlernt, unserem Herzen zuzuhören. Denn ich erinnere mich noch genau: In der 8. Klasse in den Weihnachtsferien hatte ich den inneren Antrieb, einen Comic zu zeichnen. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Die Geschichte floss aus mir raus. Die Zeichnungen habe ich innerhalb von drei Tagen wie eine Wahnsinnige fertiggestellt. Diese Leidenschaft ist in den grauen Phasen meines Lebens immer mal wieder in Vergessenheit geraten. Aber gerade diese Dinge, die mich von innen heraus erfüllen, sind doch die Gründe, am Leben zu bleiben.
Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben
Der Hashtag #reasonstostayalive hat mich dazu bewegt, auch mal meine Gedanken aufzuschreiben. Genauer gesagt: Ich habe zu Weihnachten das Buch „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ von Matt Haig bekommen und gelesen. Da ich selber nie mit Panikattacken oder einer schwereren Depression zu tun hatte, weckt das Buch mein Interesse und gleichzeitig Verständnis durch die tiefen und ehrlichen Einblicke. Trotzdem oder gerade deshalb ist das Buch so lebensbejahend. Denn jeder Mensch trifft in jedem Moment immer wieder die Entscheidung für das Leben. Und auch ein Mensch, der sich dagegen entscheidet, hat seine Gründe und ist selbst verantwortlich für den Weg, den er geht.
Meine #reasonstostayalive
Der Autor Matt Haig liebt Listen – genau so wie ich. Deshalb auch hier meine persönlichen Gründe, am Leben zu bleiben:
- Ich will einfach noch nicht gehen. Die Zeit mit Menschen, die ich liebe ist einfach viel zu kostbar.
- Es ist ein unglaubliches Privileg, genau jetzt, genau so, genau hier zu sein.
- Mutterliebe: Ich möchte mein Kind (oder vielleicht irgendwann Kinder) und meine Nichten und Neffen aufwachsen sehen. Von Kindern kann man so viel lernen.
- Es gibt noch so viele Bücher, die ich lesen möchte. (Manche wurden noch gar nicht geschrieben. Das ist doch ein ziemlich guter Grund, noch zu verweilen.)
- Die Tage werden wieder länger, heller, wärmer, sonniger – und das jedes Jahr.
- Tanzen.
- Die Suche nach dem Sinn.
- Niemals stehen bleiben. Teil einer Veränderung sein. Die Veränderungen in der Welt wahrnehmen. Im Moment sein. Erfüllt sein.
- Die Welt entdecken.
- Mir bisher fremdes Essen ausprobieren (neulich z.B. persisch).
- Sowieso: Niemals die Neugierde verlieren, dann wird es auch nicht langweilig.
- Flüchtige, aber auch beständige Begegnungen mit Menschen.
- Erkenntnisse.
- Die Konfrontation mit anderen Ansichten und Meinungen als Bereicherung sehen. Mich selbst hinterfragen und auch mal einen Blick außerhalb meiner Filterblase werfen.
- Erfahrungen machen.
- Zeit in der Natur verbringen.
- Kreativ sein.
- Anderen Menschen (und auch mir selber) immer mal wieder eine Freude bereiten.
- Alt und weise werden.
Momentaufnahme, Februar 2018.
„Die Tage werden wieder länger, heller, wärmer, sonniger – und das jedes Jahr.“
Diesen Satz könnte man sich auch einrahmen und an die Wand hängen.
Vielen Dank für deine Gedanken dazu!
Ja das stimmt 🙂 Manchmal hilft es das, schwarz auf weiß zu sehen/lesen. Deswegen habe ich mir auch zwei von meinen geklebten Collagegedichten in der Wohnung aufgehangen und ich kann mir vorstellen, dass noch mehr dazu kommen oder ich mal durchwechsle, je nach dem, was ich grade so vor der Nase haben möchte. Du machst das ja ähnlich mit deinen Zeichnungen.
Danke.